Freie Apothekenwahl für Gerinnungsfaktoren.
Seit 2020 Bestellung über öffentliche Apotheken möglich.
Änderung am § 47 AMG / Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)

Neue Hämophilie-Apps

Veröffentlicht: 17.6.2022 Autor: Linus Thema: Hämophilie Tags: #Hämophilie#Nützliches

Wie gut sind die neuen Dokumentations-Apps?


Das gute, alte Dokumentationsheft hat mittlerweile Konkurrenz: Seit ein paar Jahren machen Smartphone-Apps auf sich aufmerksam, die das Leben mit Hämophilie vereinfachen wollen. Sie treten an, um Euch, die Patienten, und Eure Hämophilie-Behandler für sich zu gewinnen. Als Alternative zum Dokumentationsheft bieten sie einige interessante Funktionen.

Ich habe mir angesehen, was es für Apps gibt, was sie können – und ob sich der Wechsel ins Digitale lohnt. Zuerst stelle ich Euch drei Apps vor. Dann formuliere ich ein Fazit. Los geht’s:

I. Florio HAEMO

Die allerneuste Dokumentations-App heißt „Florio HAEMO“. Sie wird vom Münchner Entwickler Florio GmbH angeboten und vom Pharmakonzern Sobi gesponsert. Die Anwendung eignet sich, wie alle Apps, die ich vorstellen möchte, für Hämophilie-Patienten, die Prophylaxe spritzen und keine Hemmkörper aufweisen – aber auch für Familienangehörige (Mütter, Väter, Erziehungsberechtigte) und Hämophilie-Behandler.

Die App ist entweder im App Store oder im Google Play Store zu bekommen. Im App Store hat florio HAEMO eine Bewertung von 4,4 von 5 Sternen (bei 14 Rezensionen), eine Größe von 90,5 MB und steht derzeit auf der Version 2.1.3.

Florio HAEMO kann nur nutzen, wer das mit seinem behandelnden Hämatologen abgesprochen und über diesen Zugangsdaten erhalten hat. Ohne eine solche Absprache bleiben die Funktionen der App verschlossen.

Also, was kann die App? Wie andere Dokumentations-Apps auch kann man Substitutionen protokollieren – aber auch das eigene Wohlbefinden, etwaige Schmerzen oder Blutungen. Der Vorrat an Faktor lässt sich ebenfalls überwachen.

Zudem liefert Florio HAEMO Informationen, die auf den Patienten zugeschnitten sind. Etwa der Schätzwert der Faktorkonzentration im Plasma. Das heißt: Die App gibt den Faktorspiegel in Prozent an. So weiß man jederzeit, wie gut man noch geschützt ist. Und wann es ratsam wäre, zu spritzen.

Hilfreich ist die Zusammenarbeit mit dem eigenen Behandler. Der kann jederzeit und in Echtzeit auf die Daten zugreifen. Das kann als Grundlage für Gespräche über Behandlung und Versorgung dienen. Ebenfalls nützlich ist die Erinnerungs-Funktion, damit der Patient keine Substitution verpasst. Oder, dass man die Florio-App auf eine SmartWatch laden kann.

Die Performance der App macht einen guten Eindruck: Florio-App lädt schnell, wartet mit einem schicken, modernen Design auf und ist klar und verständlich aufgebaut.

Wie ist der Ablauf, wenn man sich die App herunterlädt, das Boarding sozusagen? Zuerst bittet Florio, Heimatland und Alter einzugeben. Es folgt die Auswahl, ob man Patient oder Behandler (oder Familienangehöriger o.Ä.) ist. Dann folgt die notwendige Zustimmung zur Datenschutzstrategie des Herstellers.

Gibt der Hersteller Patientendaten weiter? Im Falle der Florio-App werden die Daten, die die App sammelt, an Dritte weitergeleitet – allerdings nur zu Forschungszwecken, und „so weit wie möglich anonymisiert“, wie die Entwickler schreiben. Die Einwilligungen kann man komplett oder einzeln widerrufen. Die Frage ist, inwieweit die Florio-App bei einem Widerrruf überhaupt nutzbar ist. Die Daten werden auch an den eigenen Behandler weitergegeben. Der Pharmakonzern Sobi, der hinter der Florio-App steht, hat keinen Zugriff auf Eure Daten.

Nach der Zustimmung zur Datenstrategie geht es daran, sich mit den Zugangsdaten, die man vom Arzt bekommt, einzuloggen. Hier endet unser Test – denn solche Daten habe ich nicht.

Es gibt übrigens weitere Apps des Herstellers: Die Florio-HAEMO-Kids-App etwa. Sie funktioniert ähnlich, ist aber auf Kinder zugeschnitten. Das heißt, dass es spielerische Anreize wie Ziele, Fortschritte, Erfahrungspunkte, Level oder Abzeichen gibt. Nebenbei lernt das Kind, warum Prophylaxe wichtig ist.

Für die Behandler gibt es ebenfalls eine Extra-Anfertigung: Die Florio-HAEMO-Doc-Intro-App. Diese Anwendung ist dazu da, Hämatologen die Funktionen der App anhand von Beispieldaten nahezubringen. Ist für den Mediziner alles klar, lädt er sich die Standard-App herunter.

II. HaemoAssist 2

Kommen wir zum zweiten elektronischen Patientenbuch, das ich vorstellen möchte: HaemoAssist 2. Der Entwickler heißt StatConsult, Sponsor ist Pfizer – der Pharmakonzern hat keinen Zugriff auf Eure Daten.

Die App funktioniert in etwa so wie die Florio-App: Euer Arzt muss Euch einen Freischaltcode geben, damit Ihr die Anwendung nutzen könnt. Sonst erübrigt sich der Download. Die App gibt es im App Store und im Google Play Store. Im App Store hat sie eine Bewertung von 4,2 von 5 Sternen (sechs Rezensionen). Die Größe der App beträgt 20,6 MB – schlappe 70 MB weniger als die Florio App.

Über die App dokumentiert ihr Eure Substitution, indem ihr die Chargennummern Eures Faktors scannt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das fix und problemlos funktioniert. Diese Daten werden an eine gesicherte Datenbank übertragen und dort gespeichert. Darauf habt nur Ihr selbst, Euer Behandler und in anonymisierter Form auch der Hersteller der App Zugriff. Im Gegensatz zur Florio-App gibt es keine Weitergabe zu Forschungszwecken.

Das Design der App ist nicht ganz so freundlich und modern wie bei florio HAEMO. Es wirkt eher farblos, dröge und erinnert irgendwie an ein Krankenhaus: Steril eben. Immerhin ist die App minimalistisch, das heißt einfach und selbsterklärend aufgebaut: Kein Schnickschnack, pure Funktionalität. Zur Performance der App kann ich nichts sagen, weil der Hersteller Patienten nur hineinlässt, wenn man einen Freischaltcode vom Arzt erhalten hat. Den habe ich nicht.

Was kann die App? Auch HaemoAssist dokumentiert Eure Substitutionen rasch und problemlos. Der Strichcode-Scanner funktioniert schnell. Ebenso wie bei Florio HAEMO gibt es eine Warnung, wenn der Vorrat an Faktor zuende geht. Der Arzt kann auch hier auf Eure Daten zugreifen – dazu erstellt die App Grafiken, Statistiken und Tools und einen Überblick über Tagebucheinträge. Was die App im Gegensatz zur Florio HAEMO nicht bietet, ist die Dokumentation des eigenen Wohlbefindens oder von Aktivitäten.

Dafür kann der Ort einer Blutung auf einer „Körperkarte“ und die Blutung selbst auf Fotos dokumentiert werden, auf die dann wiederum der Behandler Zugriff hat. Außerdem können Fehltage in der Schule oder Auf der Arbeit erfasst werden, die aufgrund von Blutungen nötig waren. Last but not least bietet HaemoAssist 2 die Möglichkeit, den Behandler über Telefon, EMail oder via Textnachricht zu kontaktieren.

III. SmartMedication

Die letzte der Dokumentations-Apps, die ich Euch vorstellen will, ist eigentlich gar keine App, sondern funktioniert über den Webbrowser: Man bekommt die Anwendung also weder im App Store, noch über den Google Play Store. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man SmartMedication sowohl über Smartphones als auch über Computer oder Tablets nutzen kann. Eine genaue Anleitung findet Ihr auf der Seite des Anbieters.

Im Falle von SmartMedication konnte ich mir den Service etwas genauer ansehen. Zu meinen Eindrücken gleich mehr.

SmartMedication ist von keinem einzelnen Pharmakonzern abhängig. Finanziert wird die App des IT-Unternehmens eHealth solutions GmbH durch den sogenannten Verein zur Förderung der Telemedizin in der Hämastosologie. Dieser Verein besteht aus Ärzten, Patienten, Apotheken, Pharmafirmen und wurde extra für die App gegründet.

Das Finanzierungsmodell von SmartMedication funktioniert so: Die Pharmafirmen spenden dem Verein. Der Verein beauftragt den Hersteller der App, dass er ihm anonymisierte Daten zukommen lässt – von Ärzten und Patienten, die dem zugestimmt haben. Diese Informationen sind für alle Parteien und auf verschiedene Weisen wertvoll. Der Hersteller kennt sich mit dem Umgang mit sensiblen Daten gut aus, weil er ursprünglich aus dem Bereich der Unternehmensberatung über Datenschutz stammt.

Was kann die App? Ihr ahnt es bereits: Ihr könnt Faktorbestände erfassen, Substitutionen und Blutungen dokumentieren. Aber auch Operationen und Fehltage auf der Arbeit oder in der Schule – das können Florio und HaemoAssist nicht. Eine weitere Besonderheit ist der „Apotheken-Kontakt“ – dazu heißt es in einer Broschüre über die App: „Damit können bei der Abgabe der Präparate die relevanten Informationen zum Produkt direkt in Ihren Bestand importiert werden. Zusätzlich kann Ihre Apotheke den Bestell- und Lieferstatus zu Ihren Medikamenten mit Ihnen teilen. All diese Informationen können Sie direkt in der App abrufen. Die Apotheke hat jedoch zu keiner Zeit Zugriff auf Ihre Daten.“ Hierfür bietet SmartMedication auch eine Liste mit Apotheken, die mit der App arbeiten.

Ebenso wie bei HaemoAssist könnt Ihr Fotos von Euren Blutungen machen, aber auch Notizen. Die App bietet auch interaktive Grafiken und Diagramme zur Behandlungshistorie, zum Faktorbestand, Jahresübersichten oder wie HaemoAssist eine „Körperkarte“.

Bei meinem Test funktionierte der Zugriff über den Webbrowser tadellos. Die Funktionen sind nicht übermäßig viele, das Wichtigste aber ist vorhanden und selbsterklärend aufgeteilt. Das Design ist ein Zwischending von Florio und HaemoAssist: Es ist kein übertrieben modernes, dafür aber auch kein auffallend farbloses Design. Es ist schlicht, aber angenehm in Rot, grau und weiß gehalten.

Das Fazit

So weit, so gut. Es gibt drei ernstzunehmende Kandidaten, die Euch für ihre Angebote gewinnen wollen. Im Grunde können sie alle das Gleiche, unterscheiden sich aber in Feinheiten des Designs, der Funktionalität und in Sachen Datenschutz. Welche App Euch am besten gefällt, müsst Ihr entscheiden – vielleicht solltet Ihr mal Broschüren anschauen (findet man online) oder mit dem Arzt darüber sprechen.

Lohnen sich die Apps? Früher hätte ich gesagt: Nein. Der Zeitgewinn ist minimal. Eventuell ist ein fixer Eintrag mit Stift und Papier schneller als mit so einer App. Deshalb benutze ich bisher keine dieser Apps – früher habe ich eine Zeitlang mit HaemoAssist gearbeitet, was keine schlechte Erfahrung war.

Ich muss aber sagen: die zusätzlichen Funktionen bieten einen inzwischen einen Mehrwehrt gegenüber dem klassischen Dokumentationsheft. Ich weiß aber nicht, ob ich wechseln werde. Nach dieser Recherche ist es zumindest wahrscheinlicher.

Jetzt seid ihr gefragt: Ich konnte nur eine der Anwendungen eingehend prüfen, eine weitere habe ich in einer früheren Version genutzt, die dritte konnte ich nur teilweise aus erster Hand prüfen. Mit diesem Blogeintrag dürfte Euch die Entscheidung aber leichter fallen.

Kundenservice
0800 90 67 248

Mo-Fr 8:00 - 18:00 Uhr

info@haemocare-at-home.eu

Kontakt